Sind Geisteswissenschaftler eigentlich die besseren SEOs? Dieser etwas provokant gestellten Frage wollten Nico und ich in unserem allerersten Campixx-Workshop nachgehen. Der Hintergrund: Nico und ich sind beide Geisteswissenschaftler, haben beide Kommunikationswissenschaft studiert und beide das SEO-Trainee-Programm der wirkungsvoll GmbH durchlaufen. Aber macht uns das wirklich zu besseren SEOs? Welche Vorteile bringen wir gegenüber den reinen Techies mit? Und spielt uns der aktuelle Wandel, der die SEO-Branche durchzieht, vielleicht sogar in die Karten?
Die SEO-Branche
Die Entwicklung der SEO-Branche wird von André Alpar sehr schön in seinem „Panoptikum der SEO-Szene“ aufgezeigt.
Je nachdem, welche Größe das Team hat und ob man eigene Seiten, Seiten des Arbeitgebers oder Seiten von Auftraggebern bearbeitet, kann man sich in einem Feld des Diagramms einordnen. Während es vor einigen Jahren noch sehr viele SEOs vom Typ „Einsamer Wolf“ gab, geht die Entwicklung heute eher in Richtung Multi-Instrumentalist und Zehnkämpfer bzw. Big Band und Mannschaft.
Fähigkeiten, die ein SEO haben muss
Wir haben uns mehr als 30 aktuelle Stellenausschreibungen angesehen um daraus abzuleiten, welche Fähigkeiten oder Kenntnisse ein SEO haben sollte. Was ist auf dem Arbeitsmarkt gefragt? Dabei haben sich die folgenden 7 Kernkompetenzen und Aufgabengebiete herauskristallisiert, die in nahezu jeder Stellenausschreibung genannt werden:
Strategisch
- Planung, Ausbau und Optimierung der ganzheitlichen SEO-Strategie (OnPage/OffPage)
- Koordination und Abstimmung der Maßnahmen, Abteilungen und externen Dienstleistern
- Augen und Ohren offen halten für aktuelle Entwicklungen
Praktisch
- Konstante Weiterentwicklung und Optimierung der Websites hinsichtlich der SEO-Kriterien
- Betreuung und Beratung
- Monitoring der eigenen Seite (KPIs), der Mitbewerber, des Marktes
- Reportings
Muss ein guter SEO programmieren können?
Fakt ist jedoch: Geisteswissenschaftler haben ein technisches Defizit. Programmierkenntnisse bzw. ein technisches Grundwissen sind nicht Teil ihrer Ausbildung. „Muss ein guter SEO programmieren können?“ fragte SEO-united.de zu Beginn dieses Jahres. Das Ergebnis: Es gibt keine klare Mehrheit. Knapp 60 Prozent meinen, ein guter SEO müsse nicht programmieren können. Dagegen vertreten knapp 40 Prozent die Meinung, ein guter SEO müsse auf jeden Fall auch programmieren könnten.
Die Diskussion wird von SEO-united.de folgendermaßen zusammengefasst:
Wichtiger als detaillierte Programmierkenntnisse sei zum Beispiel die Fähigkeit, als interdisziplinärer Vermittler zwischen unterschiedlichen Teams zu agieren und neben teamplayerischen Fähigkeiten ein gutes Basiswissen in sämtlichen technischen Bereichen aufzuweisen.
Was ist ein Geisteswissenschaftler?
Der Begriff Geisteswissenschaft ist […] eine Sammelbezeichnung für aktuell rund 40 unterschiedliche Einzelwissenschaften […], die mit unterschiedlichen Methoden Gegenstandsbereiche, welche mit kulturellen, geistigen, medialen, teils auch sozialen bzw. soziologischen, historischen, politischen und religiösen Phänomenen zusammenhängen, untersuchen.
Quelle: Wikipedia
Geisteswissenschaftler unterscheiden sich von anderen Hochschulabsolventen dahingehend, dass ihr beruflicher Werdegang nicht von vornherein vorgezeichnet ist. Wer Literatur studiert, wird Schriftsteller? Nein! Im Gegensatz zum Medizinstudenten, der Arzt wird, ist der Geisteswissenschaftler für viele Bereiche qualifiziert. Und das ist gleichermaßen Chance und Problem. Eine Chance ist es, weil der Geisteswissenschaftler sich in viele Bereiche hineindenken kann. Ein Problem ist es deshalb, weil ihm notwendige Fachkenntnisse auf bestimmten Gebieten fehlen. Umso wichtiger ist es daher, dass Geisteswissenschaftler sich ein individuelles Profil erarbeiten, indem sie sich zum Beispiel Zusatzqualifikationen aneignen, interkulturelle Kompetenzen oder Sprachkenntnisse zulegen, oder relevante Praktika oder Nebentätigkeiten absolvieren.
Fähigkeiten von Geisteswissenschaftlern
Auf der Negativ-Seite haben Geisteswissenschaftler ein technisches Defizit zu verbuchen. Aber welche Fähigkeiten zeichnen sie aus?
- Methodik: Der Geisteswissenschaftler bringt nicht sein „festes Handwerkszeug“ mit, welches er für alle Probleme anwendet. Sein Handwerkszeug bzw. seine Methodik besteht darin, sich die notwendige Kompetenz schnell anzueignen: gründliche Recherche und Methodenkompetenz.
- Querdenken: Der Geisteswissenschaftler ist in der Lage, Erlerntes und Erarbeitetes schnell auf andere Gegenstandsbereiche zu übertragen. Er deckt Parallelen und Muster auf und macht sich diese zunutze: Systemdenken und Analysefähigkeit.
- Sprachliche Gewandtheit: Der Geisteswissenschaftler kann sich sehr gewandt ausdrücken und argumentieren: Kommunikation und redaktionelle Arbeit.
- Analyse: Geisteswissenschaftler müssen im Laufe ihres Studiums viel lesen und eine große Anzahl an Informationen verarbeiten. Sie lernen Texte zu analysieren und wichtige Informationen herauszufiltern: Bewerten von Inhalten.
- Kritische Grundhaltung: Geisteswissenschaftler lernen, Forschungsmeinungen nie für bare Münze zu nehmen. Meinungen und Thesen werden kritisch hinterfragt und von allen Seiten beleuchtet: Kritisches Hinterfragen.
- Organisation und Konzeption: Das Studium eines Geisteswissenschaftlers ist wenig verschult, sondern muss zu großen Teilen selbstständig organisiert und geplant werden: Organisation und Konzeption, selbstständiges und zuverlässiges Arbeiten.
Geisteswissenschaftler und SEO
Erinnern wir uns an die 7 Kernkompetenzen, die von SEOs verlangt werden. Bringen Geisteswissenschaftler diese mit? Ganz klar: Ja! Hier kommen den Geisteswissenschaftlern insbesondere ihre Stärken in der Organisation und Konzeption, ihre Methodenkompetenz und Analysefähigkeit zugute.
Aber wie sieht es aus, wenn wir mal in die Glaskugel schauen? In welche Richtung entwickelt sich SEO und wie kommen Geisteswissenschaftler mit dieser Entwicklung zurecht? Im Blogbeitrag 53 Stimmen, wie SEO im nächsten Jahr aussehen wird kommen 53 Experten zu Wort, die aufzeigen, in welche Richtung sich SEO in den nächsten Jahren entwickeln wird. Aus diesem Beitrag lassen sich 5 Kernkompetenzen und Anforderungen der Zukunft ableiten:
- Zufriedene User: ein positives Nutzererlebnis bieten
- Content Marketing: guter Content, der Besucher, Links und Social Signals anzieht
- Sauberes Linkbuilding: hochwertige Links aufbauen, die auch Traffic bringen
- Unabhängigkeit von Google: Stärkung anderer Traffic-Kanäle
- Der SEO wird immer mehr zum Projektmanager
Hier kommt den Geisteswissenschaftlern zugute, dass sie Inhalte filtern, analysieren und bewerten können, und während ihres Studiums dazu angehalten wurden, nichts für bare Münze zu nehmen und jede These zu hinterfragen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Es wird immer schwieriger, den Google-Algorithmus durch rein technische Mittel zu „überlisten“. Dagegen wird das Bewerten von Inhalten (Texte, Links) und Strategien immer wichtiger werden!
Jetzt mal Butter bei die Fische: Sind Geisteswissenschaftler die besseren SEOs?
Die eindeutige Antwort: Jein! Die technische Komponente ist und bleibt sehr wichtig. Auch wenn ein SEO vielleicht nicht unbedingt programmieren können muss, so sollte er doch zumindest die technischen Grundlagen beherrschen. Hier bringen Geisteswissenschaftler ein Defizit mit, welches sie unbedingt ablegen müssen. Auf der anderen Seite bringen Geisteswissenschaftler aber viele Fähigkeiten mit, die als SEO gefragt sind und die zukünftig noch wichtiger werden. Die Richtung, in die SEO sich entwickelt, kommt Geisteswissenschaftlern und ihren Fähigkeiten eindeutig entgegen.