Am vergangenen Donnerstag war es wieder soweit: Die Hamburg Media School lud zum 3. Social Media Day in die Finkenau. Vertreter verschiedenster Unternehmen und interessante Speaker sorgten dabei für abwechslungsreiche und spannende Diskussionen, die sicherlich jedem Teilnehmer neue Erkenntnisse und Anregungen verschafft haben.
Was und wie
Den Anfang machte Sven-Olaf Peeck von crowdmedia, der verschiedene Social Media-Kanäle und Konzepte vorstellte. Konsens war sehr schnell, dass sich vor allem Facebook, Twitter und YouTube als die Kanäle herauskristallisiert haben, über die am meisten kommuniziert wird. Gerade YouTube hat mit seinen unterschiedlichsten Videos eine extreme Reichweite und dient sehr oft als Initiator für „Happenings“ bei Facebook und Twitter. Wobei Twitter, das das Radio so gut wie abgelöst hat, den schnellsten Social Media-Kanal darstellt. Create, share, comment und socialize hatten wahrscheinlich noch nie eine so hohe Priorität wie heute.
Aber wie immer bei „neuen“ Entwicklungen, gibt es auch im Bereich Social Media das eine oder andere Problem. Sven-Olaf sprach damit vor allem eine oft nur unzureichend vorhandene Medienkompetenz an, man erinnere sich an Facebook-Thessa, die sich scheinbar genauso viral verbreitet wie Social Media selbst. Bei der Menge an Informationen und Möglichkeiten, die Social Media bietet, wäre es jedoch fast schon vermessen, dies jemandem vorzuwerfen. Was wiederum nicht heißt, dass zumindest einige Basics nicht vorhanden sein müssen/sollten … Auffällig war, dass trotz der Kompetenz von vielen Teilnehmern bei dem Thema doch eine unterschwellige Überforderung mit der Menge an Möglichkeiten und Informationen zu spüren war. Begeisterung, klar, aber auch der ständige Gedanke „Wie kann ich meinen Auftritt optimieren, wie die Konkurrenz ausstechen, wie noch mehr Kunden ziehen“?
Neben YouTube, Facebook und Twitter ging es natürlich auch um Google +, das sich als neuer Kanal etablieren soll. Dabei von einer freudigen Erregung in Erwartung der neuen Möglichkeiten zu sprechen, wäre schlicht gelogen. Und das hat noch nicht einmal damit zu tun, dass ich persönlich Google +, naja sagen wir mal, skeptisch sehe. Es startete eine kleine Diskussion, ob + tatsächlich an Facebook herankommen kann, oder ob es wie Wave eher weniger erfolgreich ist. Die Tendenz ging recht stark gegen +. Warum sollten die Leute auf einmal zu Google wechseln, wenn sie bei Facebook im Prinzip sehr zufrieden sind? Anders könnte es hingegen dann aussehen, wenn die Leute bereits bei Google angemeldet sind. Eine Aufstockung des Profils um Google + wäre da schon wahrscheinlicher. Zur Akquise von neuen Usern wurde angemerkt, dass ein Grund für einen Account bei Google die (vermeintliche) Sicherheit, bzw. ein Vertrauensverhältnis sein könnte. User würden ihre Daten bei Google besser geschützt sehen …
Marketing-Optionen & Erfolgsmessung auf Facebook
Wie werde ich überhaupt bei Facebook erfolgreich und woran kann ich meinen Erfolg überhaupt festmachen? Dazu referierte erneut Sven-Olaf Peeck im Anschluss. Facebook hat 712.878.620 Nutzer (Stand: 29.06.2011). Im Schnitt gibt es pro User 90 Posts/Uploads und Kommentare im Monat. Etwa 200 Millionen Fanseiten, Events und Gruppen laden zum Mitmachen ein. Aber wie rücke ich meine Seite in den Mittelpunkt, welche Faktoren sind entscheidend für die Sichtbarkeit von Beiträgen, den Edge Rank? Dabei sind drei Faktoren ausschlaggebend:
1. Das Feedback: D.h. wie viele Kommentare bekommt ein Post, wie oft wird er geliked und geshared? Je mehr, desto besser.
2. Die Aktualität: Neuere Inhalte werden generell stärker gewichtet.
3. Die Affinität: Wie eng ist die Verbindung zwischen dem User und dem Post, bzw. seinem Ersteller. Wie oft interagiert der User mit dem Schreiber und den geposteten Nachrichten?
Aus diesen Faktoren resultiert ein ständiger Wettbewerb zwischen den Freunden des Users und den „kommerziellen“ Seiten, deren Fan er ist. Regelmäßige Interaktion auf der Seite ist somit unerlässlich, wenn ich präsent sein will. Dabei gibt es natürlich auch unterschiedlich effektive Vorgehensweisen, die so genannten Content-Strategien. Zum einen die automatisierte, wo mittels eines RSS-Feed die Artikel hochgeladen werden, die ohnehin schon auf der Homepage stehen. Die andere ist die persönliche. Hier steht individuelle Interaktion im Vordergrund. Es wird sich aktiv mit den Fans auseinander gesetzt, indem z.B. „Guten Morgen“ gewünscht wird oder ich mich direkt in Diskussionen einschalte und mitten drin bin. Diese Strategie zeigt, dass hinter der Seite eine reale Person steckt, die sich kümmert. So werden Vertrauen und Intimität aufgebaut, die zu einer engeren Bindung an das Produkt/die Marke/das Unternehmen führen. Eine Strategie, die den Erfolg deutlich maximieren kann. Was bei aller Facebook-Fixierung immer bedacht werden muss, ist die Tatsache, dass ich auch Offline-Medien habe, die ich für mein Unternehmen nutze. Das Fernsehen, das Radio oder die Printmedien. Der schönste, beste, innovativste Facebook-Auftritt bringt nichts, wenn ich nicht auch anderweitig präsent und gut aufgestellt bin. Facebook hat in Deutschland einen Marktanteil von etwa 22 Prozent. D.h., dass rund 78 Prozent der potenziellen Kunden gar nicht über Facebook erreicht werden können. Ich muss die Leute also bereits außerhalb von Facebook abholen, damit sie, wenn sie bei Facebook sind, auch meine Fans werden.
Social Media Trends 2011
Dr. Judith Gentz, Gründerin und Geschäftsführerin der milabent GmbH, stellte einen Überblick her, was sich lohnt weiter aufmerksam im Auge behalten zu werden. Viele, besonders ich während des Workshops, haben es bemerkt: Wer kein Smart-, I- oder sonstiges Hightech-Phone hat, steht alleine da. Ein Trend, den Judith nur bestätigen konnte. Interessant war dabei besonders, dass trotz der ständigen, weltweiten Vernetzung ein sehr enger lokaler Bezug bleibt. Durch Facebook Places und Foursquare beispielsweise spielt sich vieles in einem eher kleinen Radius ab. Es ist toll, dass ich weiß, was Jeff gerade in Ohio macht, aber noch viel besser ist eigentlich, dass Jenny spontan bei mir im Café vorbeischaut, in dem ich gerade meinen Kaffee trinke, weil sie in der Nähe war. Aber nicht einfach nur Social Media alleine ist Trend, sondern vor allem die Perfektion des Auftritts. Die bestmögliche Umsetzung von Firmeninhalten auf vielen Social Media-Kanälen ist das Ziel. Inhalte sollen im sogenannten Collaboration System so unterschiedlich wie möglich verbreitet werden, um verschiedenste Leute zu gewinnen. Mittels Conversation Monitoring werden die verschiedenen Prozesse in den Kanälen dabei stetig beobachtet und analysiert.
Auch außerhalb von Social Media hat Sharing mittlerweile einen sehr hohen Stellenwert. Car- und Flatsharing erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Aber auch die Nutzung von QR Codes nimmt in Deutschland rapide zu. Immer mehr Informationen, immer schneller, immer kompakter, auf unterschiedlichste Art und Weise werden gefordert und immer besser vom Markt bedient. Waren die 80er Jahre mit Fernsehen, Radio, Telefon und Print noch rein offline unterwegs und damit recht homogen, sieht die Welt 2011 schon ganz anders aus. Die Medienlandschaft wird immer heterogener und schneller, aber auch deutlich spannender und innovativer.
Mess with the best, die like the rest!
Äußerst spannend war der Vortrag von Svenja Teichmann von Otto, die uns nicht nur sehr gute Basics zum Thema „Arbeiten mit Social Media“ geliefert hat, sondern vor allem an sehr guten Beispielen gezeigt hat, wie man (fast) perfekt Social Media nutzt, aber wie man den Karren damit auch ganz gewaltig an die Wand fahren kann.
Bevor man sich Hals über Kopf eine Firmen-Page auf Facebook zusammenbastelt und sich dann wundert, warum keiner kommt oder keiner bleibt, sollte man Zeit investieren, um nicht nur das Ziel festzulegen, sondern vor allem die Strategie dahinter zu planen. Oberste Prämissen sind dabei Authentizität und Ehrlichkeit. Wer sich nicht menschlich verhält, braucht sich nicht zu wundern, dass kein Vertrauen zwischen den Usern und dem Unternehmen entsteht. Der Mensch im Hintergrund muss sich als eben solcher zu erkennen geben. Weitere Prämisse: Sei auf den Shit Storm vorbereitet. Das klingt erst mal ganz witzig, ist es aber so gar nicht. Wer einmal mitbekommen hat, wie sich ein Internetauftritt in die falsche Richtung entwickelt hat, weiß was gemeint ist. Pöbeleien, Beleidigungen, unsachliche Kritik und damit verbundene schlechte Propaganda sind oft schneller da, als einem lieb ist. Zwar ist man vor so etwas nie gefeit, aber man kann sich zumindest darauf vorbereiten und sich eine Strategie für den Fall der Fälle überlegen. Es lohnt zusätzlich, sich vor dem Start eines solchen Projektes einmal umzusehen und umzuhören, wie über das Unternehmen gesprochen wird. Gibt es bereits Kritik, die eventuell schnell zu einem Shit Storm führen könnte, gibt es etwas Bestimmtes, was die Kunden sich in Bezug auf eventuelle Produkte wünschen? Je mehr gewusst wird, desto präziser kann gearbeitet werden.
Generell sollte überlegt werden, welche Plattform für das Unternehmen überhaupt sinnvoll ist. Ein eigener Channel bei YouTube oder doch lieber der Twitter-Account? Sollen alle Bereiche des Unternehmens miteingebunden werden oder doch lieber nur das Marketing? Und was für einen Content wollen wir überhaupt kommunizieren? Das MUSS im Vorfeld geklärt werden.
Ist man drin in einem Netzwerk, gibt es drei Vorgaben, die sich bewährt haben. Listening, Measuring und Engagement. Zu deutsch: Zuhören, analysieren, einschalten. Wenn ich meine User aufmerksam beobachte und ein bisschen Sensibilität an den Tag lege, kann sich eine sehr kommunikative und faire Beziehung entwickeln, die das Unternehmen und seine Produkte stärkt.
Case: Bonprix
Susanne Liedtke zeigte am Beispiel von Bonprix, wie man in relativ kurzer Zeit erfolgreich mit Social Media arbeiten kann. Bonprix bestätigt die Ergebnisse von Svenja Teichmann äußerst eindrucksvoll. Durch Ehrlichkeit, Authentizität und einen engen Kontakt zu den Usern kann Großes entstehen. „Fans sind anders als Kunden. Fans verzeihen Fehler.“ Wer persönlich mit den Kunden/Fans interagiert, auf ihre Wünsche und Fragen eingeht, wird mit Treue und Unterstützung belohhnt. Auch über den einen Social Media-Kanal.
Ganz wichtig ist, dass sich das Unternehmen auf die unterschiedlichen Zielgruppen einstellt. Susanne zeigte dies am Beispiel der 18 Länder, in denen Bonprix vertreten ist. In jedem Land gibt es andere Feiertage, Sitten und Gewohnheiten, die berücksichtigt werden wollen. So lohnt es sich nicht, nur die unterschiedlichen Portale länderspezifisch anzupassen, sondern auch die Newsletter. Reagiere individuell auf deine Fans! Susanne berichtete zusätzlich davon, dass es immer sehr gut ankommt, wenn die Menschen hinter der Marke sich tatsächlich, beispielsweise durch Fotos aus dem Arbeitsalltag, zu erkennen geben. Das schafft Nähe und einen persönlichen Bezug. Auch die aktive Einbindung von Fans durch das Gewinnspiel „Fan des Monats“, oder das Posten von verschiedenen Outfits, wo abgestimmt werden kann, was besser gefällt, und dann das Ergebnis im Katalog erscheint, bekommen regelmäßig gutes Feedback. Erfolg ist machbar und macht Spaß. Liebe Susanne, ich muss ehrlich sagen: Auch wenn die Bekleidung nicht so meinem Geschmack entspricht, bin ich ein klein wenig Bonprix-Fan geworden.
Social Media und Recht
Dr. Ralph Oliver Graef hat versucht, es war spät und das Thema schwierig, uns ein wenig über Rechtliches in Sachen Social Media beizubringen. Zu Beginn gab es das Urheberrecht und die Ernüchterung, dass Ideen nicht schutzfähig sind. Lediglich die in einem Medium körperlich fixierte Idee; also die Grafik, die ich mir ausgedacht und beispielsweise auf ein Papier gemal oder auf ein Buch gedruckt habe. Aber auch der Content, der anonymisiert im Netzt herumfliegt. Bei Bildern besteht die besondere Situation, dass ich keine Nachbildung von einem Bild, weder on- noch offline, verwenden darf, auf dem prägende Merkmale übernommen worden sind. Was die prägenden Merkmale sind, wird individuell, unter Umständen auch mit einem Gutachter, geklärt. Ganz ähnlich verhält es sich bei dem Markenrecht. Dabei gibt es Wortmarken, Bildmarken und Wort-/Bildmarken. Allerdings ist es so, dass die meisten Marken (egal welcher Art) nur für einen bestimmten Bereich, beispielsweise Kleidung, geschützt sind. Ich dürfte also mein Logo, das so ähnlich aussieht wie das Tatzen-Logo von Jack Wolfskin, nicht auf mein T-Shirt drucken, aber (falls dies von Juristen gelesen wird, bitte verbessern wenn falsch) auf meine Müslischale, weil Jack Wolfskin sein Logo nur für Kleidung geschützt hat. Das Namensrecht ist ähnlich kompliziert. So darf ich einen fremden Namen nicht benutzen, weil es sonst zu Zuordnungsverwirrungen und zu Verletzungen berechtigter Interessen des Namensträgers kommen kann. Auch das Persönlichkeitsrecht ist so eine Sache. Da liegen sich seit elendig vielen Jahren Meinungs- und Satirefreiheit und das Persönlichkeitsrecht in den Haaren. Das ist deshalb so schwierig, weil die Presse in Deutschland tatsächlich sehr viel darf. Eine Klage will gut überlegt sein. Ganz wichtig und von Herrn Graef mehrmals betont, ist der generelle Grundsatz: „Das Internet ist kein Freigehege.“ Nur weil die Sachen im Netz zu finden sind, heißt das nicht automatisch, dass ich sie auch so benutzen darf, wie ich möchte!
Fazit: Spaß hat`s gemacht, lehrreich war`s, ich komme gerne wieder! Dann allerdings mit Smartphone … Vielleicht hat Google+ Facebook dann ja bereits als Social Media-Kanal Nummer 1 abgelöst …
6 Antworten
Vielen Dank für den Post. Mit google+ ist das schon eine spannende Sache. Im Amiland sind ja bis jetzt alle begeistert davon, aber die meisten davon sind entweder Tech-Geeks oder machen ihr Geld haubtsächlich im Netz. Mal sehen, was passiert, wenn es die breite Masse trifft.
Lieber Till, vielen Dank für die Aufklärung!
Die Marke Jack Wolfskin mit der bekannten Tatze ist als solche eingetragen auch für die Nizzaklasse 21, der auch „Glaswaren, Porzellan und Steingut“ unterfallen. Also wird es mit der Müslischale schwierig. Sowieso ist JW ein unglückliches Beispiel, da die was vermeintliche Markenrechtsverletzungen angeht sehr hinterher sind.
Wenn es JW als Beispiel sein soll, dann bleiben nur solch immens praktischen Dinge wie Holzkonservierungsmittel, chirurgisches Gerät, Blattmetalle und lauter Sachen, mit denen Otto Normal nix anfangen kann…
„Facebook hat 712.878.620 Millionen Nutzer (Stand: 29.06.2011)“… das „Millionen“ hat sich da reingemogelt, oder ;)?
Ansonsten sehr schöne Zusammenfassung. Besonders das Realbeispiel von Bonprix sowas hilft dann doch mehr als eine rein theoretische Betrachtungsweise, was funktionieren „könnte“.
Was wären wir ohne unsere aufmerksamen Leser :-). Ich fand das Bonprix-Beispiel auch wirklich sehr gut. Da hatte man was Greifbares :-).