Am 24.09.2015 begrüßt die OMK Lüneburg zum viertel Mal Fachleute sowohl aus den wissenschaftlichen als auch den praktischen Bereichen des Online Marketing und überlässt renommierten Sprechern die Bühne. Einer davon ist Harald „Harry“ Kratel, der schon lange in der Branche mitmischt. Uns gibt er im Interview Einblick in seine langjährigen Erfahrungen im Internet, was bald noch kommt und worum es sich bei seinem Vortrag drehen wird.
Harry, du hast das Internet ja quasi von Kindesbeinen an begleitet. Welche Erfahrung sind dir in der Rückschau bis zu den Anfängen hin besonders im Gedächtnis geblieben und welche Erlebnisse waren besonders einschneidend?
Ich bin bereits ein alter Hase im Netz, seit 1999, also seit 15 Jahren im Internet unterwegs, da gab es schon einige Milestones. Zunächst einmal sind das die Flatrates. Früher musste man das Internet pro Minute bezahlen und hatte dazu noch keine Bandbreite. Mit einem 56k- oder 28k-Modem hat man sich das Internet angeschaut und hat teure Minutenpreise bezahlt. Damals war es unmöglich, Bewegtbilder oder dynamische Werbemittel zu schalten, da sie gefühlt zwei Wochen brauchten, um zu laden. Als die ausreichende Bandbreite geschaffen war und Flatrates dann flächendeckend angeboten wurden, konnte man sich ohne darüber nachzudenken Bewegtbildangebote anschauen. Beim zweiten Riesenschritt des Internets sind wir gerade noch live dabei: Die Mobilisierung macht es möglich, dass die Leute das Internet immer bei sich tragen, egal auf welchem Endgerät. Früher hat man immer gedacht, dass kleine Bildschirme gar nicht gehen, aber man hat gemerkt, dass Größe nur eine Frage des Abstandes ist. Man sieht daran, dass solch wichtige Entwicklungen auch immer mit einem enormen technischen Fortschritt verbunden sind.
Was haben diese Veränderungen für Folgen und Konsequenzen?
Früher war das Internet noch ein Blättermedium, in dem die einzelnen Webseiten „durchgeblättert“ wurden. Heutzutage nutzen wir es auch viel, um uns berieseln zu lassen. Das hat eben auch dazu geführt, dass es sehr schwierig geworden ist, die Leute für einen größeren Text oder einen umfangreichen Inhalt zu begeistern. Die Kunst ist dabei, die Menge mit wenigen Worten anzuteasern und dann da zu behalten. Ansonsten sind Themen sowohl heute als auch früher sehr ähnlich: Es geht immer darum, wie sichtbar das eigene Werbemittel ist. Früher hieß es above- oder below-the-Fold, heute geht es eher danach, ab wann und wie weit z.B. ein Video abgespielt wurde. Aber die Frage, ob eine Werbung ausgeliefert wurde, bleibt die gleiche. Ein wichtiger Schritt der letzten zehn Jahre in der Hinsicht war die Gründung der AGOF im Jahr 2002, die seit damals neutral misst, wer vor welcher Website sitzt und damit verlässliche Daten liefert.
Auch wenn du sagst, dass sich an Werbeformen im Grunde nicht ganz so viel getan hat, beobachten wir momentan verschiedene Trends im Online Marketing. Unterschiedliche Disziplinen gewinnen an Fahrtwind, wie z. B. das Content Marketing mit seiner gezielten Nutzeransprache. Was erscheint dir besonders spannend, oder wo denkst du, werden uns noch einige Weiterentwicklungen begegnen?
Man sollte da meiner Meinung nach zwischen dem trennen, was nur alter Wein in neuen Schläuchen ist, und dem, was wirklich neu ist. Buzzwords wie Native Advertising gab es früher schon in Form von Advertorials oder böse auch Schleichwerbung genannt. Genauso wie große Teile des Content Marketings auch schon früher bekannt waren: Man braucht Umfelder und man braucht etwas, um diese anzusprechen. Was beim Content Marketing wirklich neu ist, ist, dass man die Botschaft, die man überbringen möchte, in einer Geschichte verpacken muss. Wenn du etwas verkaufen willst, musst du den Leuten dazu eine Geschichte erzählen. Ein nettes Beispiel ist z.B. die von einem Franzosen getestete Lufthansa, bei der Alfons die Fluggesellschaft auf ihre deutsche Markenqualität überprüft. Das zeigt besonders schön, dass es die Leute eben anspricht, wenn sie eine Geschichte hören, die auf alle Kanäle angepasst richtig verbreitet wird.
Was demnächst noch kommen wird, das neu ist, ist ein angepasstes Online-Shopping-Erlebnis für unsere Kinder der Generation Y und Z. Wenn diese jungen Menschen online shoppen gehen wollen, wollen sie keine starren Produktbildchen mehr sehen, sondern sich in einem virtuellen Geschäft bewegen. Dies rührt aus den Erfahrungen der Gaming-Welt, in der sie sich auch in 3D bewegen und mit anderen treffen können. Außerdem wollen sie Schuhe direkt anprobieren und sich mit ihren Freunden darüber austauschen. Das würde ich als die nächste Stufe im E-Commerce ansehen. Ich denke, dass es schon bald soweit sein wird, denn die technischen Möglichkeiten sind gegeben.
Was denkst du, was noch im Bereich Mobile passiert? Ist nach dem Mobilegeddon erst einmal Ruhe eingekehrt oder dürfen wir uns auf neue, spannende Endgeräte freuen?
Momentan schauen viele auf Google Glasses, da man sich mit diesem Projekt nun endgültig von dem Bildschirm verabschiedet, den man zur Zeit noch mit sich herumtragen muss. An sich kann man sich ein mobiles Empfangsteil ja bereits an sein Handgelenk binden, siehe Apple Watch. Da erwarte ich noch intelligente Screen-Lösungen. Es gibt ja bereits Armbänder, die Daten auf den eigenen Unterarm strahlen können, sodass der eigene Körper zum Bildschirm wird. Das ist natürlich auch oft unpraktisch, weswegen ich Gläser vor den Augen oder sogar Kontaktlinsen als Bildschirme für eine realistischere Variante halte. Auch diese Netzhautbildschirme gibt es ja in ersten Formen bereits. Die Technik ist also vorhanden, sodass wir eigentlich gar kein mobiles Device mehr in der Hand halten brauchen.
Die Entwicklungen, die du beschreibst, führen uns auch zu deinem Vortrag auf der OMK Lüneburg, der sich mit den heutigen Herausforderung an Online Marketer auseinandersetzt. Kannst du uns das ein wenig genauer erläutern?
Als Marketeer bin ich heute zunächst einmal von der Flut von Devices, Kanälen und Big Playern wie Facebook und Co. überfordert, sodass ich gar nicht mehr weiß, wie ich an den eigentlichen Menschen dahinter herankomme. An dem Punkt sollte man die Spreu vom Weizen trennen und sich überlegen, was wirklich relevant für das eigene Produkt und die Zielgruppe ist. Darüber möchte ich ein bisschen reden. Da spielt natürlich auch die Mobilität wieder mit hinein, genauso wie die parallele Nutzung mehrere Endgeräte, Stichwort Second Screen.
Mein Vortrag soll sich also darum drehen, wie ich meine Botschaft an den Mann oder die Frau bekomme und das vor allem im B2B-Bereich. Es nutzt nichts, Massenkanäle zu bedienen, denn dort wären die Streuverluste zu hoch. Vielmehr sollte man sich auf seine Expertise im jeweiligen Bereich konzentrieren und mit Fachinformationen für sich Werbung machen – ganz im Sinne des Content Marketings. Es wird also auch darum gehen, wie man die richtige Zielgruppe ausfindig macht.
Eine wichtige Komponente dieser Zielgruppenansprache sind sicherlich auch die Social Media. Was siehst du da noch für Potenzial, vor allem im Hinblick auf neuere soziale Netzwerke wie Pinterest der Instagram?
Social Media sind ein großer Kanal. Bei Facebook ist es zum Beispiel sehr vorteilhaft, dass man eigenes Targeting auf Basis von validierten User-Daten betreiben kann, die das Netzwerk selbst zur Verfügung stellt. Mit demographischen Daten zu den Usern kann man viel gezielter Werbung schalten oder die Zielgruppe bestimmen und ansprechen. Da ist Facebook den anderen Netzwerken nach wie vor noch einen Schritt voraus. Aber auch in Netzwerken wie Pinterest schlummert Potenzial, das noch gar nicht wirklich erkannt wurde! Der Vorteil bei Pinterest ist, dass man nicht nur eine reine Information bekommt, sondern Inspirationen. Google kannst du z.B. nach einem Rezept fragen, wenn du weißt, was du am nächsten Tag kochen willst. Wenn du es aber noch nicht weißt, fragst du Pinterest nach Ideen. Das sind neue Formen, die auch neue Arten von Werbung zulassen.
Das klingt doch nach einem spannenden Slot auf der Konferenz. Abgesehen davon, worauf freust du dich besonders auf der OMK in diesem Jahr?
Ich war ja bereits dreimal da und war jedes Mal begeistert. Bei der OMK trifft man eine ziemlich einmalige Mischung aus Menschen, weil man auf der einen Seite die Professoren und Studenten hat und auf der anderen Seite die Mittelständler aus der Region sowie Online-Marketing-Experten, die in der Branche was zu sagen haben oder bekannt sind. Das stellt uns Speaker auch oftmals vor eine gewisse Herausforderung, da wir natürlich alle Zuhörer abholen müssen und keiner nach zehn Minuten abschalten soll. Aber das macht ja auch Spaß! Auch, wenn man eher wissenschaftliche orientierte Fragen der Studenten beantworten darf, die oftmals einen ganz anderen Blick auf die Dinge haben. Die Mischung der Zuhörer ist also sehr dynamisch und locker. Deswegen freue ich mich auch in diesem Jahr schon wieder sehr auf die OMK!
Das verstehen wir gut! Auch die anderen Vorträge klingen so spannend wie Harrys, man darf also einiges von der Konferenz erwarten! Wer noch Tickets benötigt, wird auf der Seite der OMK fündig. Viel Spaß wünschen wir denen, die hingehen!
Über Harald Kratel
Harald (Harry) Kratel (54) ist ein sehr erfahrener Media- und Werbeprofi. Von 2005 bis 2009 war er COO der Parship GmbH, Europas führender Online-Partnersuche. Er war dort maßgeblich verantwortlich für die Internationalisierung von Parship in 14 Ländern. Seit Februar 2010 ist er Geschäftsführer der renommierten Fullservice-Werbeagentur mlv in Hamburg, wo er mit seiner Frau und seiner 15-jährigen Tochter lebt.
2 Antworten