Eben noch als Piratenbraut auf der SEO-Barkassenfahrt, heute schon bei den SEO-Trainees im Interview. Astrid Jacobi, bekannt als Nerd in Skirt, hat sich Zeit genommen und den SEO-Trainees ein paar Fragen beantwortet. Also füllt euren Humpen auf, legt das Holzbein hoch und geht mit uns auf Kaperfahrt Richtung SEO-Island mit Zwischenstopps im Land der Informationswissenschaften und auf der Insel der Selbstständigkeit. Arrrr!
SEO-Trainee Denise: Computer-Know-How, Science-Fiction-Liebe oder eine Begeisterung für technisches Spielzeug? Was genau macht Nerd in Skirt zum Nerd?
Astrid: Ja, Ja und Ja :-). Zum einen natürlich diese ganze SEO-Kiste und die Tatsache, dass mein Leben zu 80% online passiert. Dabei fallen einige „ganz normale Dinge“ einfach hinten über. Ich shoppe zum Beispiel fast ausschließlich online, da ich es ernsthaft hasse, in Umkleidekabinen zu stehen oder durch die Stadt zu bummeln (langsame Fußgänger machen mich übrigens auch rasend :D). Außerdem habe ich immer den Input geliebt, den ich von meinen männlichen Freunden bekommen habe: Filme („Astrid, du kennst Braindead noch nicht?!“), Spielekonsolen, Comics (Preacher! Must read!) und all das spaßige Zeug. Da hatten Jungs oft den besseren (und eben nerdigeren) Griff. Außerdem hab ich zwei Brüder, mir blieb also schon ganz früh nichts anderes übrig, als auf Mädchenspielzeug zu verzichten und als James Bond mit der Knarre durch die Wohnung zu rennen. Der Schritt zu Golden Eye ist dann quasi vorprogrammiert :D.
Denise: Das klingt vielversprechend! Wie bist du zur Suchmaschinenoptimierung gekommen?
Astrid: Gelbe Seiten haben in Saarbrücken eine „Leiterin Suchmaschinenwerbung“ gesucht und ich damals einen Job. Ich habe recherchiert, worum es da überhaupt geht und festgestellt, dass ich im Studium bereits SEO gemacht habe, wir das nur nicht so genannt haben. Ich habe den Job bekommen, meinen Blog gestartet und jetzt bin ich addicted :-).
Denise: Viele SEOs kommen aus sehr unterschiedlichen Bereichen, so auch wir Trainees. Welche Verbindungen siehst du zu deinem informationswissenschaftlichen Studium mit Schwerpunkt Sozialpsychologie? Wobei hat dir dieses bisher geholfen?
Astrid: Das stand so bei Facebook, nicht wahr? Eigentlich war mein Schwerpunkt Informationswissenschaft und Infowissler gibt’s mittlerweile ja einige im SEO-Bereich (Jens Fauldrath, Sebastian Cario, Anita Böhm etc.). Informationswissenschaft beschäftigt sich mit Indexierung und Klassifikation, Informationsmanagement und all dem Zeug und passt damit hervorragend zu SEO. Aber auch die Sozialpsychologie und die Rechtsinformatik (mein zweites Nebenfach) haben mir beim SEO immens geholfen, außerdem Psychologie auf Diplom (angefangen), Politikwissenschaft (angefangen) und Wirtschaftsinformatik (angefangen) – ja, ich habe lange studiert :D. Aber da SEO so viele verschiedene Aspekte vereint (daher lieb ich es auch so!) und man sowohl technisch, als auch psychologisch versiert sein muss, kreativ sein sollte und wirtschaftlich denken muss, passt eine Ausbildung, die nicht ganz stringent ist, sondern viele Bereiche abdeckt, ganz hervorragend.
Denise: Was kannst du uns Trainees für Tipps geben, um in der SEO-Branche erfolgreich zu sein? Welche Eigenschaften sollte ein angehender SEO unbedingt mitbringen?
Astrid: Leidenschaft. Denn ohne die wird man sich nicht motivieren können, all die aktuellen Informationen aufzunehmen und Workflows immer und immer wieder anzupassen. Und natürlich Offenheit: für die anderen Disziplinen im Online Marketing, fürs Offline Marketing, für unterschiedliche Off- und Online-Ziele bestimmter Seiten etc. SEO mit Scheuklappen funktioniert nicht, es sei denn, man ist `ne grau-schwarze One-Man-Show und die Auswirkungen auf einer Seite sind eher egal, da man noch tausende andere hat – dann kann man machen, was man will :-).
Denise: Was waren in den vergangenen Jahren für dich die bedeutendsten Veränderungen in der SEO-Branche?
Astrid: Hier muss ich mal meinen Ex-Arbeitgeber loben: Durch TRG rückte die OnSite-Optimierung und die strategische Herangehensweise an ein umfassendes Online-Konzept mehr in den Fokus. Als ich im SEO angefangen habe, gab’s zwar schon einige spannende Beiträge und Vorträge über das „große Ganze“ (meist aus USA), aber der Fokus in Deutschland lag einfach nur auf Links, was oft die Themenwahl bei Vorträgen recht öde gestaltet hat :-). Hier hat sich SEO weiterentwickelt. Auch, weil SEOs nichts anderes übrig bleibt, denn Google hat immens Gas gegeben. Man kann zum Beispiel Social Media einfach überhaupt nicht mehr ignorieren, wenn man SEO macht, denn Google tut es auch nicht.
Denise: Hast du das Gefühl, dich als Frau besonders anstrengen zu müssen oder wird es dir auf eine bestimmte Art leichter gemacht, präsent zu sein?
Astrid: Süß formuliert :-). Klar, die Präsenzbildung war bei Twitter, Facebook & Co. durch die Tatsache, dass ich weiblich bin und vor ein paar Jahren in eine recht männliche Szene „eingebrochen“ bin (zum Glück haben wir jetzt einige tolle Frauen mehr am Start!) einfacher. Fachlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich im Kundengespräch (oder im Gespräch mit anderen SEOs) alle technischen Details immer sehr genau wissen musste. Ob das nun an meinem Geschlecht oder meinem krankhaften Ehrgeiz liegt, kann ich nicht genau sagen :-). Aber gewisse Vorbehalte gegenüber Frauen, die sich über Apache-Module Gedanken machen, habe ich schon verspürt. Dadurch war ich gezwungen, immer alles ganz genau zu wissen und zu verstehen. Schadet aber nicht :-).
Denise: Mit staats consult hast du dich in die Selbstständigkeit begeben. Wie würdest du den Wechsel beschreiben? Hat sich dein Arbeitsalltag dadurch enorm verändert? Was ist neu? Was ist anders?
Astrid: Ich trage ständig eine Jogginghose und muss darauf achten, auch mal rauszugehen, um nicht vor dem Rechner zu versauern :D. Nein, ernsthaft: Mir fehlen meine Kollegen von TRG, aber ich liebe die Freiheit, die ich jetzt habe! Ich arbeite nicht weniger als in Festanstellung, aber ich bin zeitlich flexibler. Ich kann morgens einfach mal ins Fitnessstudio gehen und hänge dann abends einfach ein paar Stunden dran (ich arbeite nachts sowieso besser), außerdem bleibt mir im Moment wieder etwas mehr Zeit zum Lesen spannender Beiträge. Ich hatte das große Glück, dass es bei mir direkt los ging, ich habe mich also seit Monatsanfang noch keinen Tag gelangweilt. Ich hoffe sehr, dass das so bleibt und mein Geschäftsmodell funktioniert, denn ich weiß schon jetzt, dass ich das hier nicht mehr aufgeben will :-).
Denise: Deine SEO-Uhr steht wieder auf null: Was würdest du anders machen?
Astrid: Meine SEO-Uhr? Moment, ich hol mir mal noch `nen Kaffee … Ihr meint, ich fange im SEO-Bereich komplett bei null an? Was ich dann anders machen würde? Nichts. Das bedeutet nicht, dass ich total großartig finde, was ich alles getan habe. Jeder macht Fehler, ich bin da mit Sicherheit keine Ausnahme. Aber ich bin ein hoffnungsloser Optimist und der Meinung, dass alles, egal was, für irgendwas gut ist. Daher sind auch Fehler ganz wunderbar, um sich zu entwickeln. Oh doch, eins fällt mir ein: Ich hätte während des Studiums schon verstehen sollen, wie man mit Google Kohle verdienen kann – das hätte mir ein nettes Polster schaffen können für heute :D. Denn das, was 2000 noch möglich war, geht heute nicht mehr (und prinzipiell ist das auch gut so!).
Denise: Ein gelungenes Networking ist in unserer Branche unabdingbar. Über staatsangelegenheiten.de gewährst du uns einen großen Einblick in dein Privatleben – von Lieblingsliedern bis hin zu Hochzeitsfotos. Hast du bereits die Erfahrung gemacht, dass diese „persönliche Note“ beim Kontakteknüpfen hilft?
Astrid: Schöne Frage :-). Ja, de facto ist die persönliche Note das A und O im Social Media (irgendwo muss dieses Social im Namen ja herkommen :-)). Ich habe zum Beispiel festgestellt, dass meine Follower-Zahl bei Twitter stagnierte, als ich damit angefangen habe, ganz persönliche Dinge fast nur noch bei Facebook zu posten. Philosophisch ausgedrückt könnte man sagen: Twitter funktionierte wunderbar, solange ich es einfach nur als Kommunikationskanal sah und es mir vollkommen egal war, ob ich 200 oder 2000 Follower habe. In dem Moment, in dem ich darüber nachdachte, was ich posten kann und was ich besser bleiben lassen sollte, gab’s weniger Wachstum. Sollte ich jemals damit anfangen, Twitter nur als Push-Kanal zu nutzen (keine Sorge, ich habs nicht vor :-)), werde ich die Follower verlieren, das ist mir absolut klar. Leider ist das vielen Unternehmen nicht klar. Die denken immer noch, sie stellen sich auf der Twitterparty in die Ecke und anstatt sich mit Leuten zu unterhalten, brüllen sie einfach in regelmäßigen Abständen ihre Werbebotschaft in die tanzende Menge. Fragwürdige Partygäste (da hilft auch der mitgebrachte Salat nicht) :-).
Denise: Bei dir läuft viel über Musik. Was ist dein persönlicher SEO-Song?
Ist das so? Wenn Ihr auf die SEO-Band anspielt: Wir proben nie, daher höre ich die Jungs auch immer erst auf der Bühne :D. Ansonsten liebe ich natürlich Weird Al Yankovic mit „White And Nerdy“, „Don’t Download This Song“ oder „Ebay“. Schon vor SEO habe ich NIN und Trent Reznor geliebt und ich finde es großartig, wie Trent mit dem Netz und Social Media umgeht. Aber ansonsten hat mein Musikgeschmack doch recht wenig mit SEO zu tun (ich liebe Schallplatten – kein optimiertes Medium :-)).
Denise: Bitte vervollständige: SEO ist wie …
Astrid: 1000 einzelne Fäden, die man verknüpfen muss, um ein starkes Seil zu kriegen – superspannend, herausfordernd und amüsant.
Denise: SEO-Trainee hast du in deinem Feedreader, weil …
Astrid: Isch abe gar kein Feedreader! Aber ich lese Euch regelmäßig (Twitter ist mein Newsfeed, mehr brauch ich nicht), weil Ihr immer wieder spannende Artikel und schöne Zusammenfassungen liefert. Und Nachwuchs ist bei Euch oft untertrieben, denn reine Basics gibt’s bei Euch ja gar nicht. Toll, weitermachen! 🙂
Denise: Vielen Dank! Wie gewohnt bietet die letzte Frage unseren Interview-Partnern Raum, ihren Ärger loszuwerden. So hast natürlich auch du die Möglichkeit, den überschätztesten SEO, den einfältigsten SEO-Blog oder ein skandalös schlechtes Tool zu bashen – Begründung optional. Dein ätzender Pfeil der Kritik trifft …?
Astrid: … SEOs, die der Meinung sind, dass nur ihre Art, SEO zu machen, die einzig Richtige ist. Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn jemand mit Spam und Adsense Geld verdient – sich hier als Moralapostel aufzuspielen, wäre bodenlos. Und Blackhats, die niemandem schaden, sondern Google auf seine Schwächen aufmerksam machen, finde ich extrem smart und kreativ. Hier lerne ich gerne von, auch wenn ich es nicht anwende.
Wenn eine Person aber ein Unternehmen führt und die Verantwortung für Mitarbeiter und deren Familien mitträgt, dann sehe ich das anders. Hier sind mir SEOs suspekt, die den Fokus auf Links legen und nach Linkkauf rufen und dabei aus den Augen verlieren, dass ein an die Wand gefahrenes Unternehmen mit 50 Mitarbeitern nun mal nicht so einfach zu verkraften ist wie ein einzelnes Projekt, das man in den Sand gesetzt hat. Aber das gilt nicht nur für SEO, sondern ganz allgemein: Borniertheit ist schädlich und wird nie funktionieren, im wahren Leben oder im Bereich SEO. Man sollte immer offen sein, sonst verbietet man sich selbst, zu lernen.
Und noch ein Nachtrag: SEOs, die nicht verstanden haben, dass es beim SEO um Informationsmanagement, Accessibility und Kommunikation geht, sondern einfach nur ein paar Buzzwords aufgeschnappt haben und denken, mit diesem „SEO“ lässt sich ja gut Geld verdienen, die durch dilettantische Arbeit unsere Branche in den Dreck ziehen und sich als „Manipulatoren von Google“ brüsten und Kritikern damit immer wieder neues Futter geben, machen mich wirklich, wirklich böse :-).
Über Astrid Jacobi
Nach mehreren unterschiedlichen beruflichen Stationen stand Astrid Jacobi zuletzt zwei Jahre in den Diensten von TRG – The Reach Group, bevor sie dieses Jahr mit staats consult den Schritt in die Selbstständigkeit wagte. Seit 2008 ist die studierte Informationswissenschaftlerin als Nerd in Skirt unterwegs und zeigt deutlich, dass die Mädels in der Online-Branche den Jungs in nichts nachstehen. Mit staatsangelegenheiten.de gibt sie Einblicke in ihr Leben und bereichert das Netz um einen spannenden, lustigen und nachdenklichen Blog, auf dem man herrlich „versacken“ kann :-).
10 Antworten
Bei mir ist es die kurze Hose. Erst ab dem 10. Oktober wieder die Jogginghose. 🙂
Ich bin leider nicht selbstständig…aber ich glaube mein Chef würde es auch durchaus verzeihen, wenn ich mal in Jogginghose käme. Habe mich das aber doch noch nie getraut 😉 gibt ja durchaus auch Modelle, die straßentauglich sind…aber auch sonst ein netter Artikel…
Vielen Dank für das schöne Lob euch beiden!!:-)
Hab fast die gleiche Arbeitskleidung immer: Jogginghose, Unterhemd, Adiletten & Stirnband 😉 Aber kurz mal Ernst: Top Interview, hat echt Spaß gemacht!
Cheers, Marcel
Schönes Interview. Nicht nur tolle Antworten, sondern auch sehr gute Fragen.
Besonders den „ätzenden Pfeil“-Absatz finde ich sehr wichtig und richtig. Man hat als Seo auch eine Verantwortung.
Alles Gute für Astrid und ihre neue Jogginghosen-Bude 🙂
Vielleicht nicht immer, aber immer öfter 😉
Interessantes Konzept und gute Umsetzung! Die Besten Ideen kommen eben von Frauen! 🙂
Wer schlau ist, ist bescheiden 😉