Zeit für ein Interview! Anita Böhm von InnoGames hat sich trotz stressiger Vorweihnachtszeit die Mühe gemacht, uns ein paar Fragen zu beantworten. Was die SEO-Expertin zum Thema Hummingbird, Conversational Search und dem Mobile-Trend zu sagen hat, erfahrt ihr in diesem Interview.
SEO Trainees: Liebe Anita, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, uns ein paar Fragen zu beantworten. Du bist als SEO Managerin bei der InnoGames GmbH tätig. Wie bist du dort gelandet? Erzähl‘ unseren Lesern von deinem beruflichen Werdegang!
Anita: Ich habe Information Science & Engineering an der Hochschule Darmstadt studiert und bin auf diesem Wege mit dem Thema SEO in Berührung gekommen – in einem Projekt mit Jens Fauldrath, der damals noch als Inhouse SEO bei der Deutschen Telekom war. Dort war ich dann eine Weile als Werkstudentin tätig. Nebenher habe ich meine Master-Thesis ebenfalls im Bereich SEO bei dem Startup flinc geschrieben. Danach ging es dann direkt und eher zufällig nach Hamburg zu TRG – The Reach Group.
Auch wenn es das Unternehmen leider nicht mehr gibt, hatte ich dort eine sehr lehrreiche und tolle Zeit mit super Kollegen. Nach zwei Jahren als Consultant mit vielen spannenden Einblicken in ganz verschiedene Branchen bin ich schließlich bei InnoGames gelandet. So interessant die Abwechslung durch unterschiedliche Kunden auch war, habe ich die Ansprechpartner im Unternehmen stets beneidet: Sie setzen sich viel intensiver mit ihrem Angebot, ihrer Branche und allem, was damit zusammenhängt, auseinander.
An InnoGames hat mich gereizt, dass das Thema SEO dort noch im Aufbau steckt, das Unternehmen im extrem kompetitiven Umfeld der Online Games unterwegs und auch international präsent ist. Ich bin für alle Aspekte der SEO zuständig und betreue sowohl unser Portal InnoGames.com als auch die Seiten zu unseren einzelnen Spielen. Eine Menge Arbeit, deswegen baue ich nach und nach ein Team auf. Übrigens bin ich der Hochschule Darmstadt treu geblieben – ich bin dort als Dozentin tätig und biete Projekte zum Thema Online Marketing an.
SEO Trainees: Welche Besonderheiten müssen bei der SEO-Strategie für einen Online-Games-Anbieter beachtet werden?
Anita: Zum einen herrscht in dieser Branche ein sehr großer Wettbewerb. Besonders herausfordernd im Bereich SEO ist beispielsweise für uns die Konkurrenz durch andere Publisher, große Afiliates und Medienportale. Besonders schwer ist es, von solchen Plattformen „echte“ Links zu bekommen.
Dazu kommt, dass unsere Spiele ja einen Login erforderlich machen und viele Kapazitäten darauf verwendet werden, was nach dem Einloggen passiert. Die Herausforderung liegt also am ehesten darin, um diesen „schwarzen Fleck“ herum Inhalte zu bauen. Außerdem kommt der ROI erst sehr spät – es reicht nicht, dass Nutzer auf eine unserer Seiten kommen, sich registrieren und spielen, sie müssen irgendwann im Spiel zu zahlenden Nutzern konvertiert werden. Das ist ein ziemlich langer Weg, und SEO ist nur einer der allerersten Schritte.
SEO Trainees: Google Hummingbird sorgt als neuer Suchalgorithmus für viel Gesprächsstoff in der SEO-Welt. Auch wenn die offizielle Bekanntgabe erst Ende September stattfand, ist der Algorithmus schon seit August am Werk. Wie kann es sein, dass ein neuer Suchalgorithmus, der rund 90 Prozent aller Suchanfragen betreffen soll, solange unbemerkt bleibt?
Anita: Im Grunde ist Hummingbird ja kein Update bzw. Filter à la Panda oder Pinguin gewesen, sondern eine komplette Überarbeitung des Algorithmus. Ich persönlich habe nirgendwo die Effekte von Hummingbird zu spüren bekommen. Das liegt vermutlich daran, dass Hummingbird insbesondere auf das bessere Verständnis von Spracheingaben beziehungsweise vergleichsweise komplexen Suchanfragen abzielt.
SEO Trainees: Mit Hummingbird geht Google einen weiteren Schritt in Richtung semantischer Suche. Gerade die Conversational Search, bei der auch der Bezug zwischen mehreren Fragen von der Suchmaschine erkannt wird, soll dadurch gepusht werden. Was bedeutet das für die zukünftige Kommunikation zwischen User und Suchmaschine?
Anita: Der Nutzer muss sich sicherlich erst einmal daran gewöhnen und sein Vorgehen bei der Suche eventuell anpassen beziehungsweise sich überhaupt dieser neuen Möglichkeit bewusst werden. Für die Suchmaschine bedeutet es, dass sie zunehmend komplexere Zusammenhänge verstehen und beantworten können muss. Da war Hummingbird sicherlich ein wichtiger erster Schritt.
Ich war Anfang Dezember auf dem Online-Marketing-Frühstück. Dort gab es eine Google Glass-Vorstellung inklusive Live-Demo. Es war schon recht beeindruckend, wie gut die verbal geäußerten Anfragen des Nutzers verstanden und auch beantwortet wurden. Wobei man sagen muss, dass diese eher simpel waren.
Fraglich ist, wie die Reaktion bei schwierigeren Anfragen aussieht und ob der Nutzer überhaupt dazu in der Lage ist, diese „korrekt“ zu formulieren. Es gibt sicher auch Suchbedürfnisse, die sich so nicht decken lassen. Ich würde vom jetzigen Standpunkt her vermuten, dass es außerdem etwas Zeit braucht, bis wir das adaptiert haben. Als SEOs oder Online Marketer sind wir da vielleicht näher dran als andere Menschen, aber zunächst mal erscheint es doch als Herausforderung, die breite Masse von einem „Ich tippe was und du zeigst mir diverse Ergebnisse“-Modell hin zu einem wesentlich konkreteren Frage-Antwort-Dialog zu kommen.
SEO Trainees: Thema Mobile Search: Es werden mehr und mehr Suchanfragen vom Smartphone aus gestellt und der Hummingbird-Algorithmus zielt darauf ab, die Suchintention des Nutzers besser zu verstehen. Was denkst du, wie sich das Suchverhalten in den letzten Jahren verändert hat? Ist Hummingbird auch eine Konsequenz aus dem veränderten Suchverhalten?
Anita: Ich denke, die Nutzer werden immer besser darin, ihren Informationsbedarf in einer Suchanfrage zu verpacken und diese eventuell zu optimieren, wenn der erste Versuch nicht zielführend war. D. h. die Anfragen werden – natürlich auch abhängig vom jeweiligen Szenario – viel konkreter und dadurch manchmal auch länger, Stichwort Longtail. Hummingbird und die generelle Weiterentwicklung ist da einfach nur der logische Next Step. Der Nutzer steht nach wie vor im Vordergrund und seine eigene Weiterentwicklung, die zunehmende Selbstverständlichkeit und Sicherheit leisten ebenfalls ihren Beitrag. Letztlich ist das Ziel ja, alles noch einfacher und intuitiver zu machen und so die Attraktivität und Qualität des Produkts „Google-Suche“ weiter voranzutreiben und auszubauen.
SEO Trainees: Wie wirkt sich das veränderte Suchverhalten auf die Suchmaschinenoptimierung aus?
Anita: Bereits jetzt stehen die Nutzer im Mittelpunkt, berechtigterweise. Dieser Trend wird sich fortsetzen, auch wenn das etwas abgedroschen klingt. Ich muss mein gesamtes Angebot um die verschiedenen Aspekte, die für den Nutzer im Zusammenhang von Bedeutung sind, erweitern, alle Fragen beantworten, alle relevanten Themen herausstellen. Das ist kein reines SEO-Ding, sondern vielmehr das Zusammenspiel der gesamten Online-Marketing-Palette. Diverse technische Grundlagen werden jedoch nach wie vor erfüllt werden müssen.
Es wird in jedem Fall immer wichtiger zu verstehen, mit welchem Bedürfnis Nutzer auf meine Seite kommen und welche Bedürfnisse ich auf meiner Seite beantworten kann und will. Gerade das ist natürlich in Zeiten von „Keyword (not provided)“ eine große Herausforderung.
SEO Trainees: Wie siehst du den Benefit für den Nutzer, wenn seine Suchintention besser verstanden wird, er aber im Grunde immer noch dieselben Ergebnisse gezeigt bekommt?
Anita: Wenn das bessere Verständnis der Suchintention immer noch zu den gleichen Ergebnissen führt, dann gibt es womöglich keine bessere Antwort beziehungsweise waren die vorherigen Ergebnisse ebenfalls befriedigend im Hinblick auf die Anfrage, auch wenn diese jetzt besser verstanden wird. Wie gesagt, das Ganze hängt auch ein wenig mit der Komplexität der Anfrage zusammen, und wenn eine wenig komplexe Frage bisher schon korrekt beantwortet werden konnte, macht dies keine Veränderung der Ergebnisse erforderlich. Solange die Anfragen also nach herkömmlichen Mustern erfolgen und die Möglichkeiten, die sich neuerdings durch Hummingbird bieten, nicht ausgeschöpft werden, wird sich das auch nicht groß ändern.
SEO Trainees: Longtail vs. Shorthead – worauf sollte man zukünftig setzen und wieso?
Anita: Eine pauschale Entscheidung kann man da meiner Meinung nach nicht so einfach treffen. Es mag Branchen und Projekte geben, in denen die Konzentration auf den Longtail aufgrund des großen Wettbewerbs im Shorthead absolut sinnvoll ist. Im Allgemeinen sind eher kürzere Anfragen von Interesse, weil die Nutzer oft gar nicht so furchtbar spezifisch suchen und die Suchvolumina mit der Komplexität der Anfrage rapide abnehmen, sodass es sich selten lohnt, großen Aufwand zu betreiben.
SEO Trainees: Schon seit längerer Zeit liefert Google immer öfter direkt Antworten auf bestimmte Suchanfragen und es steht der Vorwurf im Raum, Google werde von der Such- zur Antwortmaschine, sodass der Nutzer die eigentliche Website gar nicht mehr aufruft. Dein Standpunkt dazu?
Anita: Eine Antwort auf diese Frage ist nicht gerade einfach. Ich persönlich finde es extrem praktisch, wenn ich unterwegs z. B. nach Öffnungszeiten suche und ich direkt angezeigt bekomme, das Geschäft xy hat heute bis dann und dann auf. Der Laden selbst bekommt das gar nicht mit. Ob ich seine Seite aufrufe, kann ihm oberflächlich gesehen erst mal egal sein, da ich in diesem Moment nicht am Online Shop interessiert war, sondern die Öffnungszeiten wissen wollte und dieses Bedürfnis gedeckt wurde. Den Nutzern kommt das daher auf jeden Fall sehr entgegen.
Schwieriger wird es allerdings, wenn ich ein Geschäftsmodell habe, welches allein darauf aufbaut, dass Menschen eine Seite aufrufen, deren Inhalte Google genauso gut und vor allem direkt abbilden kann. Mir fallen als Beispiele hierzu gerade die Flugsuche oder Wetterinformationen ein. So hart und abgedroschen es klingt, Google ist nicht die Wohlfahrt, sondern ein Unternehmen, das Geld verdienen möchte. Und wenn es mit einem Service, den Firma XY anbietet, auch irgendwie Geld verdienen kann, kann man das schlecht verbieten, solange man sich innerhalb eines gewissen zulässigen rechtlichen Rahmens bewegt. Trotzdem doof für Unternehmen, denen dies das Genick bricht, aber eines derartigen Risikos kann und sollte man sich in diesen Bereichen frühzeitig bewusst sein.
SEO Trainees: In der SEO-Branche gibt es ständig irgendwelche Buzz-Wörter, die große Wellen schlagen. Was ist dein SEO-Unwort des Jahres?
Anita: Da fällt mir nicht nur eines ein – aber ich glaube, am meisten nervt mich „Keyword (not provided)“, weil man damit zwangsläufig konfrontiert wird und keinen Einfluss nehmen kann. Mittlerweile gibt es verschiedene Workarounds und Lösungsansätze, die jedoch ein Umdenken erforderlich machen, denn die Keyword-Daten in der Form, wie wir sie kannten, gibt es nicht mehr (wirklich).
SEO Trainees: Vielen Dank, Anita, für das tolle Interview!
Anita Böhm
Anita Böhm kam bereits während ihres Studiums an der Hochschule Darmstadt mit SEO in Kontakt. Nach ihrem Master-Abschluss stieg sie als SEO Consultant bei TRG – The Reach Group ein und landete somit in der schönen Stadt Hamburg. Mittlerweile ist sie bei der InnoGames GmbH tätig, wo sie für den SEO-Bereich verantwortlich ist. Zudem ist sie Dozentin an der Hochschule Darmstadt.
Eine Antwort
Super Interview! Weiter so, Anita und ganz ganz viel Erfolg in 2014! #yourockgirl