15.000.000.000 US-$ ist der ungefähre Wert des gesamten Online-Gaming-Marktes. Rund ein Viertel des geschätzten Vermögens von Bill Gates. Etwa das Dreifache des Spiele-Giganten Electronic Arts. Oder der zwölfte Teil des Computerriesen Apple Inc. Eine ziemlich opulente Sahne-Crème-Torte, von der sich jeder gern ein dezentes Stückchen abschneiden möchte. 10% unserer Internet Quality Time verbringen wir mit unserem zweitliebsten Hobby – dem Online Gaming. Angesagter und beliebter sind nur noch Facebook, Twitter und Co. Dabei unterscheiden wir uns auch nicht in spezifischen Altersgruppen oder Geschlechtern. Gemeinschaftlich ernten wir Tomaten und Kürbisse, retten die Welt oder bekämpfen Terroristen. Grund genug also, dieses Marketing-Segment einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Zunächst einmal soll der Bereich der Gamification am Beispiel von Foursquare und unter Erklärung der für Gamification üblichen Incentives beschrieben werden. Danach wage ich eine kleine Übertragung auf den auch dafür sehr interessanten SEO-Bereich.
Gamification – die Verwendung von Spielmechaniken in Nicht-Spielanwendungen
Foursquare ist eines der Must-Have Gamification Applications. Ähnlich wie auf Facebook können sich die Foursquare-User an ihrem Aufenthaltsort „einchecken“. Foursquare veröffentlicht den Standort an Freunde und Twitter Follower. Für jeden Check-In erhält der User Punkte. Einmal eingecheckt, kann er für jeden Check Point Tipps und Aufgaben hinterlegen, die für alle Foursquare User einsehbar sind. Neben Punkten kann man sich an verschiedenen Orten auch Abzeichen verdienen. Derjenige mit den meisten Check-Ins an einem Ort wird von Foursquare automatisch zum Bürgermeister ernannt.
Mit welchem Hintergedanken wurde Foursquare aber entwickelt? Antwort: Die Erfinder wollen unseren angeborenen Spieltrieb wecken, uns zur Interaktion mit dem Unternehmen oder dem Produkt auffordern und unsere uneingeschränkte Loyalität gewinnen. Und zwar ohne dass wir das merken. Der Mehrwert des Spiels und die Interaktion sollen uns positiv stimmen gegenüber grundlegenden oder sogar ernstzunehmenden Themen wie Finanzierung, Gesundheitsvorsorge, Philanthropie oder Lifestyle.
Dabei dürfen die Aufgaben nicht zu komplex sein – schnelle Erfolge halten den Average User bei Laune. Gleichzeitig darf es auch nicht zu simpel sein– wer hat schon gerne Langeweile beim Spielen? Die Nutzer in einem stetigen „State of Flow“ zu halten, ist ebenso relevant, wie den besonderen Bezug zum Unternehmen oder Produkt herzustellen.
Gamification-Guru Gabe Zichermann beschreibt den Flow liebevoll als einen “state of mind achieved when one is between boredom and anxiety”. Das Resultat: Der Verlust von Raum und Zeit. Stundenlanges Geklicke der Laptopmaus. Ein zeitraubendes Gehämmer auf Tastatur und Touch Screen. Anders gesagt: Der Traum und das Ziel eines jeden Spiele-Designers und Marketers.
Die Welle der game-basierten Mobile Applications und Internetanwendungen ist enorm. Zu nennen sind neben Foursquare Spiele und Anwendungen wie Frontierville, Nike+, Angry Birds, Klout, DeHood, Causeworld oder Epic Win.
Funktionstüchtig werden die Apps durch Anreize, sogenannte Incentives. Denn aufmerksam werden wir vor allem dann, wenn es etwas zu gewinnen gibt. Unser intrinsisches Konkurrenzdenken lässt uns überall die Keime des Wettbewerbs erkennen. Im Kampf um Geld, Attraktivität, Sportlichkeit und Intelligenz wollen wir immer und überall der Erste sein. Ob wir nun Gewinner des Lotto-Jackpots oder Sieger der Herzen sein möchten, ist oft unterschiedlich und stark von den Teilnehmercharakteren abhängig. Doch erkennen wir hier ganz klar einen Fakt: Unser Verhalten kann auf diese Weise ganz mühelos beeinflusst und manipuliert werden.
Zichermann beschreibt vier Typen von Spielern:
Der Achiever – Achiever lieben die Herausforderungen des Spiels. Fast wichtiger als der Sieg selbst ist ihnen die erbrachte Leistung. Doch möchten sie ihre Erfolge nicht alleine feiern, sondern mit möglichst vielen teilen. Klassische Kandidaten für Involvement-Ansätze.
Der Socializer – Socializer spielen Spiele um der Spieler willen. Ihnen ist das Teamplay wichtiger als der Wettbewerb. Für das Spiel selbst sind sie wahre Schätze. Ihre Freundesliste ist oft lang und ihre Verbündeten mächtig.
Der Explorer – Wie der Name schon sagt, liebt der Explorer es, Neues zu entdecken. Je reichhaltiger die virtuelle Welt ist, desto länger verweilt er in ihr. Gewinne und Anerkennung sind ihm weit weniger wichtig als Sidestories und das Game Environment.
Der Killer – Killer lieben den Sieg. Zufrieden sind sie, wenn ihr unfaires Gameplay sie zu Ruhm und Reichtum geführt hat. Anerkennung benötigen die Killer keine, vielmehr leben sie von der Angst der Gegner.
Und welcher davon bist du?
Incentives
Wir lieben Belohnungen. Wie kleine Hunde laufen wir den Leckerbissen hinterher. Gamification Pros nutzen daher die folgenden drei Tools, um uns möglichst lange bei Laune zu halten:
Leaderboards – Mithilfe von Leaderboards ist ein Benchmarking der eigenen Leistungen innerhalb einer definierten Gruppe möglich. Absolute Ranglisten gelten als demotivierend. Kein Wunder, möchte man doch immer besser und schneller sein als das eigene Umfeld. Daher messen sich die User am liebsten mit ihren Freunden. Soziales Benchmarking machen wir ja auch im echten Leben ganz gerne. Man denke nur an den harten Kampf um eine beeindruckende und bestechende Anzahl an Facebook-„Freunden“.
Punktesysteme – Onlinespiele leben von ihren Erfahrungspunkten. Wer in Cityville die Erfolgsleiter hinaufsteigen will, muss sich seine XP hart verdienen. Überträgt man diesen Ansatz auf andere Bereiche, nennen kreative Marketers ein einfaches Punktesystem gerne mal „Meilen“, „Payback-Punkte“ oder „Happy-Digits“. Ein Branding ist wichtig. Bestenfalls etabliert sich das Punkte-Synonym schnell und heimlich im Sprachgebrauch der User. Ein ähnlicher oder ergänzender Ansatz sind virtuelle Währungen, die nur innerhalb des Spiels oder der Anwendung einen Wert besitzen. Für Virtual Cash legt man real Cash auf den Tisch. Eine ziemlich gelungene Einnahmequelle. Was wäre das Erreichen eines neuen Levels, ohne dann mit stolz geschwellter Brust die eigene Pinnwand damit vollzuspammen (=Brawler Effect)? Spielintern wird man mit Badges belohnt.
Preise – Das verhältnismäßig teuerste Instrument im Game Based Marketing sind Preise. Während Preise wohl den größten PR-Hype heraufbeschwören, ist die Customer Loyalty hier am geringsten. Zu schnell sind das Spieleerlebnis und die damit verbundenen Achievements ausgeschöpft. Und schon sind die User wieder weg.
SEO Gamification
Schließlich möchte ich noch erläutern, wie sich Gamification für die Suchmaschinenoptimierung nutzen lässt. Vordergründig scheint Gamification wenig mit SEO-Arbeit zu tun zu haben. Spiel und Spaß generieren doch primär ein hippes Branding für Produkt oder Unternehmen. Und auch wenn das Thema Social Media immer mal wieder in der Szene hochkocht, so bleibt es doch primär nicht im Bereich SEO verwurzelt. Gamification kann uns die SEO-Arbeit um einiges leichter machen.
Stundenlang brüten wir über Content, der die User interessieren könnte, der so wertvoll ist, dass vielleicht sogar irgendwer ihn verlinkt. Neu und einzigartig muss er sein! Mit einer gekonnt umgesetzten Spieleanwendung wie Foursquare lassen wir die User für uns Content generieren. Kommentarfunktionen, Bewertungen oder die Einbindung von Videoaufnahmen oder Bildern machen die Inhalte unserer Webseite attraktiv für User und schaffen gleichzeitig Content für Suchmaschinen. Ein vergleichbares Beispiel sind Hotelbewertungsportale. Wer geht heute noch in den Urlaub, ohne einen Blick auf holidaycheck.de zu werfen. Nicht die steif inszenierten Artikel der Reisekataloge, sondern ehrlich geschriebener Usercontent weckt unser aller Interesse. Gamification-Anwendungen supporten diese Erkenntnis und locken gleichzeitig durch Usercontent die Massen aus dem Bereich der Longtail Keywords.
Und dann, in der Phase des verrückten Hypes um Badges und Co., posten die Nutzer wie verrückt und vollkommen freiwillig einen Link zur Anwendung oder Webseite. Backlinks prasseln im Idealfall nur so auf einen ein. Blogs berichten über den neuen Stern am Gamification-Himmel. Online-Zeitschriften berichten über das Spielegroßereignis. Man google nur einmal Foursquare und erhalte 117.000.000 Ergebnisse. Sicherlich nicht alle minuziös von den Foursquare-SEOlern angefertigt, sondern vielmehr Beiträge begeisterter User. Wir sehen also einen klassischen Linkbait vor uns.
Wir können die Einbindung unseren Usern sogar noch leichter machen und ihnen ermöglichen, ihre Badges und Statistiken direkt auf der eigenen Seite einzubinden. Je leichter der User es hat, seine Erfolge direkt auf der Homepage zu teilen, desto eher wird er es tun und uns damit einen Link generieren.
Über Kristin Walter
25 Jahre hatte ich mit SEO und Online Marketing mal so gar nichts zu tun. Abgesehen von meinem wenig praxisnahen Marketing-Studium, in dem die eine oder andere Vorlesung von der Thematik handelte. Und dann traf ich Alexander bei pflege.de. Meine Naivität fand damit ein jähes Ende. SEO-Blogs, SEO-Kommentare, SEO-Q&A-Antworten – vor kurzem dachte ich noch Ashton Kutcher würde selbst twittern. So findet alles sein Ende …
12 Antworten
Hallo, erst einmal danke für den Beitrag. Immer schön zu sehen wie sich die unterschiedlichsten Industrien mit dem Thema Gamification auseinandersetzen.
Gleichzeitig bekomme ich aber leider einen Knoten im Bauch wenn ich dann manches lese. Zu schnell wird hier einfach auf das Offensichtliche geschossen ‚warum wir glauben, dass Spiele Spaß machen.
Ich kenne Gabe Zichermann selbst auch und muss sagen, dass das hier doch sehr aus dem Kontext gerissen wurde (ist aber immer so 😉 ).
Ich liebe das Thema und mache es nun bereits seit über sechs Jahren beruflich. Daher hier nun meine Anmerkungen dazu.
Die Spielertypen sind so eine Sache. Von Bartel eigentlich für reine Games entwickelt, sind sie nicht (wie er selbst sagt) für Gamification gedacht. Hier besteht einfach ein zu starker Unterschied. Spiele finden ja in einem ’spielerischen Umfeld‘ statt mit eigenen Regeln, usw., Gamification statt dessen immer in der Realität.
Als Basis, um sich über den Menschen (und sich selbst) im spielerischen Umfeld Gedanken zu machen, sind sie aber ein guter Start. Nur soviel: Man ist nicht ein Typ sondern besteht aus allen vieren, wobei meistens ein bestimmter ausgeprägter ist als die anderen und diese Ausprägungen ändern sich auch je nachdem in welcher Aktivität und Kontext man sich befindet.
Jetzt zu meinem Lieblings-Erzfeind :-): Foursquare. Mal ehrlich…überlegt doch mal warum Ihr gerne ein Spiel, egal ob Videospiel, Sport, Brettspiel, Kartenspiel oder ähnliches freiwillig und stundenlang machen könnt? Auch Hobbies fallen in diese Kategorie. Was geben Euch diese Aktivitäten? Leaderboards? Punkte? Preise? Wohl eher kaum. Diese Elemente sind manchmal vorhanden, ja, aber Ihr würdet euer Lieblingsspiel auch spielen wenn sie es nicht mehr wären, richtig? Mal ganz ehrlich…
Und warum sollte dies jetzt plötzlich Gamification sein? Kennen wir das System nicht schon seit Jahrzehnten aus dem Bereich der Bonus- und Loyalitätsprogramme?
Aber zurück zu Eurem ‚Spiel‘. Wenn Ihr mal überlegt an was Ihr Euch gerade erinnert wenn Ihr jetzt an Euer letztes Erlebnis zurückdenkt, als Ihr komplett in einem Spiel versunken wart, also Zeit und Raum vergessen habt, was für eine Situation war das gerade? Ich wette, dass Ihr Euch gerade einer Herausforderung gegenüber saht, die Ihr unbedingt schaffen wolltet und guter Dinge wart, dies auch zu können.
Gamification ist zu 80% Neurowissenschaft und Psychologie und wenn man Menschen in genau solch einer Situation beobachtet erfährt man, dass unser Gehirn dann von Neurotransmittern nur so überschüttet wird wenn wir uns einer Herausforderung gegenüber sehen, die wir für uns persönlich als spannend erachten, die uns fordert, und in der wir das bestmögliche Feedback erleben, um immer schnell und adäquat reagieren zu können. Genau in solch einem Umfeld macht dann sogar das Scheitern Spaß. Immerhin scheitern wir die meiste Zeit im Spiel, richtig? Aber wir haben immer das Gefühl: „Jetzt weiß ich wie es geht, jetzt schaffe ich es.“
So entsteht übriges auch der Unterschied zwischen Stress und positiven Stress.
Was hat das mit Foursquare zu tun? Hier gibt es keine Herausforderung. Einchecken kann jeder. Ein erwachsener Mensch, der seit Jahren Foursquare nutzt, kann jederzeit von einem 8 jährigen Kind geschlagen werden. Das Kind hat einfach mehr Zeit und kann ebenfalls auf den Check-in Button drücken. Keine Herausforderung.
Es gibt einen Grund, warum Foursquare die Langzeit-user davon laufen.
I
Intrinsich und extrinsich ist die nächste, grße ‚Baustelle‘: Man muss unterscheiden zwischen extrinsischer und intrinsischer Belohnung & extrinsischer und intrinsischer Motivation.
Nur eines noch: Wir sprechen hier von einem Ansatz, der, wie kaum ein zweiter, auf die Psychologie des Menschen abzielt. Zu glauben, dass man dies mit einer ‚one-size-fits-it-all Lösung‘ schafft ist daher recht utopisch. Tut mir leid. Bonusprogramme ja…Gamification nein. Wenn das so wäre, gäbe es längst das eine Spiel, das die ganze Welt spielt und kein anderes.
Hoffe der kleine Exkurs hat gefallen und bringt etwas mehr Licht in das Thema. Wer noch mehr wissen will, einfach melden 🙂
Hallo Roman,
wir freuen uns immer über Experten, die ihr Fachwissen einbringen. Danke für deine interessanten Ergänzungen!
Viele Grüße,
Sabine
Schön wäre jetzt, wenn ich so eine Spielifizierung einfach irgendwo kaufen könnte für mein Blog, meine Webseite, meinen Shop oder was auch immer ich vermarkten möchte.
Weiterlesen http://onlinemarketingscout.de/onebiz-dream-gamification-goes-real/
PS: Wie mein Vorposter bereits bemerkte, das Thema ist heißer denn je.
Ein gelunger Artikel. Und auch jetzt noch immer aktuell. Die Games-Markt wächst immer noch und wird immer mehr wachsen. Allerdings wachsen analog dazu auch die Akquisekosten für neue Nutzer, da immer mehr Publisher auf den Gaming-Markt (vor allem F2P) drängen… wird spannend zu sehen welche sich durchsetzen!
Grüße
Meike
Hallo,
Ich bin seit ein paar Tagen BETA-Tester und ich kann nur sagen: Verdammte Gamification… hat mich jetzt auch erwischt, diese unnütze Sucht 😉
Gruß,
Sebastian
P.S. Ach ja… und Links habe ich zu denen auch schon freiwillig gesetzt…
Der Spieltrieb ist einfach angeboren, da kann auch jahrtausend Jahre Evolution nichts dran ändern! Gut, dass es heute dazu Monetarisierungswege gibt!
„Gamification“ ist denke ich ein wirklich gutes Mittel um Communities aufzubauen, ich würde mich deswegen da gar nicht so auf den SEO-Aspekt festlegen. Das eine kann natürlich zum anderen führen, wer aber nun meint mit „Gamification“ auf jeden Fall auch in den SERPs zu klettern, der ist meiner Meinung nach auf dem Holzweg.
Ein gelungener Gastartikel – hier schaue ich in Zunkunft wieder häufiger vorbei.
…das gibt mir Hoffnung. 😉
Danke!
Hallo,
Ashton Kutcher twittert selbst!
Grüße
Gretus